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Bei der größten Demonstration in der Geschichte des Landes fordern die Teilnehmer mehr soziale Gerechtigkeit. 90 Prozent der Bevölkerung stehen hinter ihnen.
Zuversichtlich, bunt, laut und fröhlich haben landesweit rund 450.000 Personen gegen soziale Ungerechtigkeit protestiert, unterstützt von Popstars, Schauspielern und Satirikern. Die Hauptstraßen im Stadtzentrum von Tel Aviv waren am Samstagabend voller nicht enden wollender Menschenschlangen.
Viele Demonstranten hatten Megafone dabei, andere versuchten, sich mit Trommeln und Blasinstrumenten Gehör zu verschaffen. Selbst die drückend-feuchte Hitze hielt sie nicht davon ab, bis spät in die Nacht ihr Mantra gegen die hohen Lebenshaltungskosten zu rufen: "Das Volk fordert soziale Gerechtigkeit." Es war die größte Demonstration seit der Staatsgründung.
"Öffentlicher Verkehr am Schabbat", stand auf einem der Schilder, kleinere Schulklassen und Gelder für die Bildung forderten andere. Die gut fünf Wochen alte Sozialbewegung lässt Raum für viele Bedürfnisse. Mit roten T-Shirts bekleidet marschierten die Anhänger der "Partei der Arbeiter", nicht zu verwechseln mit der traditionellen israelischen Arbeitspartei, die nicht erkennbar vertreten war.
Sprechchöre riefen zum Sturz der Regierung auf, was jedoch nur ein Teil der Demonstrationen befürworten würde. Nur vereinzelt schlugen Teilnehmer des Protestmarsches den politischen Bogen zwischen sozialer Ungerechtigkeit und der Besatzung des Westjordanlandes.
Mit der Demonstration erreichten die Veranstalter zwar nicht das gesteckte Ziel von einer Million Teilnehmern, trotzdem machten sie Geschichte. "Dieser Platz füllt sich mit neuen Israelis, die bereit wären, für dieses Land zu sterben", resümierte Studentenführer Itzik Schmuli, doch zum Leben reiche es für sie nicht.
Noch weiß keiner genau, welche Richtung Israels junge Sozialbewegung von hier aus einschlagen wird. Umfragen zeigen, dass sie von fast 90 Prozent der Bevölkerung befürwortet wird, was mit daran liegt, dass sie eine klare Positionierung vermeidet.
Neue Protestformen
"Was sie immer wieder unter Beweis gestellt hat, ist, dass sie für Überraschungen gut ist", kommentiert Dani Gutwein, Historiker an der Universität von Haifa. Die Bewegung werde neue Formen annehmen, "aber nicht verschwinden". Eine veränderte Aktionsform könnten Boykotte gegen Unternehmen sein. Zu den ersten Opfern gehört bereits der Multimilliardär Yizhak Tschuva und seine Tankstellenkette.
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Mehr als 350.000 Menschen haben am vergangenen Samstag gegen soziale Ungleichheit in Israel demonstriert. Es sind die größten Sozialproteste, die Israel je erlebt hat. Sie fordern mehr soziale Gerechtigkeit.
Diese bislang größten Sozialproteste in der Geschichte Israels richteten sich gegen Wohnungsnot, steigende Lebenshaltungskosten sowie gegen die Gesundheits- und Bildungspolitik der Regierung. Gefordert wird der Bau von bezahlbaren Mietwohnungen, die Besteuerung von leerstehenden Apartments, die Erhöhung des Mindestlohns und eine kostenlose Schulausbildung für alle Altersgruppen. In Tel Aviv zogen die Demonstranten mit israelischen und roten Fahnen vor den Sitz des Verteidigungsministeriums und anderer Regierungsbüros und skandierten »Das Volk fordert soziale Gerechtigkeit« oder »Das Volk gegen die Regierung«. In Jerusalem war die Residenz von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Ziel der Demo.
Angeheizt worden waren die Proteste, nachdem die Knesset in der vergangenen Woche ein neues Gesetz zum Wohnungsbau verabschiedet hatte. Es sieht die Bildung von landesweit sechs Komitees vor, die entsprechende Genehmigungen schneller bearbeiten sollen. Dabei geht es allerdings nur um etwas mehr als 200 Wohnungen auf staatlichem Grund und Boden. Nicht die Betroffenen, sondern Baulöwen profitierten von dem neuen Gesetz, sagte Uri Metuki von der zionistischen Dror-Yisrael-Bewegung, die sich in den Protesten engagiert. Sie gehörte zu den Gruppen, die einen Forderungskatalog ausgearbeitet hatten, der Vertretern der Regierung vorgelegt werden sollte. Doch noch während die Diskussionen im Gang waren, hatte die Knesset das Gesetz verabschiedet. Die Entscheidung sei »ein Schlag ins Gesicht der Bewegung« gewesen, so Metuki, der einen »langen Kampf« voraussagte.
Nicht willkommen bei den Protesten sind allerdings Siedler aus den besetzten Gebieten, die in den letzten Tagen mit eigenen Forderungen und Zelten aufgetaucht sind.
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Über hunderttausend städtische Angestellte beteiligten sich vergangenen Montag an Streiks und Demonstrationen, um sich mit den landesweiten Zeltstädten solidarisch zu zeigen. Diese breiten sich seit Wochen aus Protest gegen überhöhte Mietkosten über ganz Israel aus. Städtische Ämter und Rathäuser blieben geschlossen, die Straßen wurden nicht gereinigt, und der Hausmüll wurde nicht abgeholt.
Die Gewerkschaft der Kommunalbehörden in Israel und der Gewerkschaftsbund Histadrut hatten Anfang des Jahres Streiks abgesagt. Diesmal unterstützten sie die Proteste, um die Kontrolle zu übernehmen und sie abzuwürgen. In Tel Aviv streikten die städtischen Behörden nur zum Teil und öffneten um zehn Uhr ihre Tore wieder. Jerusalem beteiligte sich nicht am Streik, um „den Bewohnern keinen Schaden zuzufügen“.
In Tel Aviv und Jerusalem demonstrierten die Lehrer, Eltern und Schüler. Sie forderten bessere staatliche Bildung und das Ende eines Privatisierungsprogramms, das zu steigenden Kosten und großer Ungleichheit beim Zugang zu guter Schulbildung führt. Sie trugen Transparente mit der Aufschrift: „Mit privaten Bildungseinrichtungen gibt es keine soziale Gerechtigkeit“.
Für Donnerstag sind weitere Protestveranstaltungen gegen die hohen Bildungskosten angekündigt.
Ärzte haben ein Zeltlager vor dem Amtssitz von Premierminister Benjamin Netanjahu aufgeschlagen und fordern ihn auf, in dem seit Monaten andauernden Streit zwischen Ärzten und der Regierung Stellung zu beziehen.
Die Gewerkschaft der Pflegekräfte hat angekündigt, sie werde sich dem Kampf der Ärzte anschließen und plane gemeinsame Proteste.
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Damaskus (dpa) – Die Offensive der syrischen Sicherheitskräfte gegen oppositionelle Bürger geht weiter. Einen Tag nach dem blutigen Angriff der Armee auf die Stadt Hama mit rund 100 Toten sind Panzer und Scharfschützen in Deir al-Zor einmarschiert. Mindestens 25 Menschen wurden getötet, 65 weitere verletzt. Das berichtet der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira unter Berufung auf Augenzeugen. Menschenrechtsgruppen zählten bislang in ganz Syrien 142 Tote. Der blutige Einsatz des Militärs wurde weltweit verurteilt. Deutschland hat eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates beantragt.
Die Menschen in Hama haben ihre Toten in öffentlichen Parks begraben, denn die Friedhöfe sind wegen der militärischen Belagerung nicht zu erreichen. "Viele Verwundete liegen noch im Krankenhaus", sagt Omar Habbal, ein ortsansässiger Oppositioneller. Auch in Moscheen und Privathäusern werden Verletzte behandelt, weil die Kliniken völlig überlastet sind.
"Die Blutvorräte sind aufgebraucht, weil die Blutbanken unter staatlicher Kontrolle stehen und den Ärzten keinen Nachschub liefern", schildert er am Telefon. "Eines dieser Zentren ist von Geheimdienstmitarbeitern angegriffen worden. Sie sind in die Vorratsräume eingedrungen und haben sämtliche Blutkonserven zerstört."
Am Sonntag im Morgengrauen wurden die Bewohner von Syriens viertgrößter Stadt von Explosionen und Schüssen aus dem Schlaf gerissen. Danach begann in Hama die wohl brutalste militärische Offensive, die Syrien seit Beginn der Proteste vor über vier Monaten erlebt hat. Schätzungen zufolge kamen innerhalb weniger Stunden fast 100 Menschen ums Leben. Aus allen Richtungen drangen Panzer in die Wohnsiedlungen ein; die Soldaten eröffneten wahllos das Feuer und rissen die Barrikaden ein, die Anwohner zu ihrem Schutz auf den Straßen errichtet hatten.
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Die Linke in Ägypten hat wie überall sonst eine lange Geschichte. Doch ist die alte Linke kein gesellschaftspolitisch relevanter Faktor mehr. Spannend im postrevolutionären Ägypten ist die neue Linke, die in der letzten Dekade formiert wurde.
Der erste Mobilisierungszyklus dieser neuen Linken wurde von der zweiten Intifada 2000 ausgelöst. In Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand gab es zum ersten Mal nach Jahren wieder Demonstrationen auf den Straßen Kairos. Diese Bewegung wurde von kleinen, jungen marxistischen Kräften initiiert, dem sich auch liberale Kräfte anschlossen. Trotz der Repression ging die Bewegung weiter und es kam dann zu Mobilisierungen gegen den Irak-Krieg 2003. Die zweite Periode von Protesten mit linker Beteiligung war die „Kefaya!“ (Es Reicht!) Bewegung im Jahre 2004-5. Gegen die erneute Kandidatur Mubarraks entstand diese Protestbewegung, in der neben liberale und islamistische Kräfte auch die Gruppe der „Revolutionären Sozialisten“ beteiligt war. Diese mehrere Duzend starke und trotzkistisch orientierte Gruppe stellte den Kern der radikalen Linken in dieser Zeit dar, die in der Kefaya eine gewisse Ausstrahlung gewinnen konnte. Der dritte Mobilisierungszyklus wurde 2008 von dem Aufstand in Mahalla am 6. April ausgelöst, als in den neuen Industriezentren Ägyptens es zu Massenstreiks kam, die sich teilweise auch landesweit ausweiten konnten. Danach entstand das Netzwerk „6. April“, die vielleicht wichtigste Organisation der Revolution im Januar. Nach Mahalla gab es mehr und mehr soziale und politische Dissidenz, und jedes Jahr Aktivitäten am 6. April. Auch wenn der Mainstream im „6. April“-Netzwerk liberal eingestellt waren, konnte man in dieser Aktivistengeneration ein gewisses neues linkes Denken sehen, das sich dann im Jahre 2010 im Netzwerk „Jugend für Freiheit und Gerechtigkeit“ manifestierte, das auch eine wichtige Rolle bei der Revolution spielen sollte. Diese Mehrere Hundert linke Aktivisten waren mit anderen das Rückgrat der Besetzung von Tahrir und spielten ebenso bei den Kämpfen in Alexandria eine wichtige Rolle. In der revolutionären Situation einer Gesellschaft mit Dekaden der Diktatur im Rücken, können kleine Kreise eine starke Ausstrahlung gewinnen und in wichtigen Situationen den Unterschied machen, so auch die neuen linken im Januar 2011.
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